Geburt

Geburtsbericht

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Einleitung

Ein gute Freund von mir ist vor kurzem Vater geworden. Als wir uns kurz danach trafen und über die Geburt gesprochen haben stand eines fest, dass die Männer sich auch auf diesem Moment vorberieten müssen. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam entschieden seine Erfahrungen und Gefühle während der Geburt für euch Männer da draußen bereitzustellen. Und 5,4,3,2,1….Action!


Geburtsbericht

Über die Aufgabe der Männer

Vorwort

Lange hatten wir Zeit uns auf den Moment vorzubereiten. Viele Worte haben wir miteinander gewechselt, mit vielen Müttern und Vätern haben wir uns unterhalten, im Geburtsvorbereitungskurs aufmerksam zugehört, viel darüber nachgedacht; aber was am Tag der Geburt unseres Sohnes geschah hätten wir nicht für möglich gehalten. Die Gewalt und Kraft der Natur ist seit jeher für jeden Menschen unergründlich, es ist wie eine unsichtbare Welle die stetig größer wird und unaufhaltsam auf Einen zurollt. Diese Welle zeigt uns weder Leid noch Zerstörung, vielmehr zeigt sie uns das Unvorstellbare. Das Wort Geburt ist in den Augen Vieler einfach ein Tag, ein Ding, das passiert „wenn es soweit ist“. Heute ist die Geburt für mich etwas greifbares und trotzdem so fernes, denn es hat sich lange angebahnt und ist dann plötzlich passiert und später ist es wieder fern. Ich sehe die Geburt als einen Prozess, welcher unaufhaltsam voranschreitet und den ganzen Schmerz und die Freude eines ganzen Lebens beinhaltet. Genau die Gefühle des neuen Lebens mit welchem die Geburt endet, dem Baby.

Vorbereitung

Bereits Monate vor dem errechneten Termin haben wir uns gemeinsam hingesetzt und viel über den Tag gesprochen. Wie sieht er aus, wie werden wir reagieren und wie wird er enden? Wir sprachen mit unseren Freunden, welche bereits Eltern sind. Auf diesem Wege konnte wir einige Erfahrungen erlangen die wir in unseren imaginären Wanderrucksack gepackt haben. Nachdem wir mehrere Informationsabende, verschiedene Krankenhäuser und Geburtshäuser besuchten, haben wir uns dazu entschlossen unser Kind im St. Joseph-Stift zur Welt zu bringen.

Alle Krankenhäuser und auch das Geburtshaus waren schön, ruhig und modern. Aber im St. Joseph-Stift (Dresden) kam irgendwie ein Gefühl der Geborgenheit auf und das Gefühl verstanden zu werden und unser Gefühl sollte uns nicht trügen. Durch den Besuch des Geburtsvorbereitungskurs und durch die Ausführungen der Hebamme konnten wir unseren Rucksack weiter füllen und noch mehr Wissen aufsaugen. Ich fand irgendwie alles spannend von der Anatomie bis hin zur Atemtechnik. Auch das wir über Komplikationen, Probleme und Gefahren sprachen tat mir gut. Vieles von dem war zu diesem Zeitpunkt noch weit entfernt. Wir sprachen auch über die Aufgabe der Männer, uns, die einfach da sind um die Hand zu Halten und der Frau das Gefühl zu geben, dass da jemand ist, der auf sie aufpasst. Und genau darauf bereitete ich mich vor. Ich versuchte meine Angst und Anspannung, die in meinem Inneren immer da war zu Verarbeiten und teilweise auch zu Verdrängen. Es sollte eine Art Wanderung werden, ein Weg dessen Länge man nicht kennt, ein stetiges Schreiten über kleine Unebenheiten, Hügel bis hin zu Spitze des Berges. Und genau das war es. Nur war der Berg nicht einfach nur ein Berg es war gefühlt der Mount Everest, zum Mond und zurück – ach Quatsch es war unbeschreiblich.

Der Tag der Tage

Es war ein sonnenreicher Sonntag Ende Januar. Wir spazierten mit Freunden entspannt durch den Wald, aßen gemeinsam zu Abend, saßen anschließend zu Zweit auf der Couch; und schauten noch etwas Fern. Ich freute mich schon den ganzen Tag auf das letzte Football Spiel vor dem SuperBowl. Und so kam es, dass ich mich 18 Uhr nochmal für ein Nickerchen umgedreht habe.

Gegen 20 Uhr hörte ich im Halbschlaf etwas von „Blasensprung“ und wurde langsam wach. Als ich mich umdrehte stand meine Freundin da und es tropfte. Da waren sie, tausende Gedanken zur selben Zeit aber keinerlei Nervosität. Ich sprach mit ihr und ging erstmal fachmännisch an die Kontrolle des Fruchtwassers heran.

Alles super – farblos, geruchlos und irgendwie ganz schön viel. Ich rief im Kreißsaal an und gab Bescheid das wir demnächst mal vorbeischauen würden. Unsere Hebamme – für die Nachsorge – teilte ebenfalls mit das nun alles auf der Zielgeraden ist und zu guter Letzt letzt rief ich die beste Freundin an, denn sie war mein Backup im Kreißsaal falls es für mich zu viel wird. Nach kurzer Rücksprache mit der werdenden Mutter entschlossen wir uns noch entspannt auf der Couch den Abend ausklingen zu lassen und etwas Schlaf zu bekommen. Also war das Football Spiel gerettet. Nur irgendwie fehlte mir das Interesse daran, also umgeschwenkt und gemeinsam noch einen Film geschaut.

Gegen 21 Uhr traten die ersten Wehen ein. Das beruhigte mich innerlich, denn irgendwie muss das ja so sein. Meine Freundin wirkte völlig ausgedreht und irgendwie fast ein bisschen wie betrunken, schon spannend was Hormone so alles können. Wir entschlossen uns, nach ordnungsgemäßer Prüfung der Klinktaschen – ja ich hatte auch eine mit allen Zeugs was Männer so brauchen – , gegen 1 Uhr Richtung Krankenhaus zu fahren. Auf dem Weg haben wir uns noch einen Kaffee und einen Tee an der Tankstelle geholt. Auf meine Bitte ob der Mitarbeiter etwas schneller machen könne weil im Auto meine wehengeplagte Freundin sitzt wären dem fast die Becher aus der Hand gefallen. Im Kreißsaal angekommen begrü.te man uns und schloss meine Freundin gleich mal ans CTG um zu schauen wie weit das ganze schon fortgeschritten war. Irgendwie war es noch nicht wirklich weit – ich hatte da ein anderes Gefühl – sodass wir eines der Wehenzimmer beziehen konnten. Gegen halb drei hat unsere Hebamme den Muttermund geprüft: zwei Centimeter. Im Anschluss wurden alle Vorbereitungen für eine Wassergeburt getroffen. Wir versuchten etwas zu schlafen, was irgendwie nicht wirklich möglich war. Ein Mischung zwischen Anspannung, Angst, Vorfreude und Nervosität hielt mich wach.

Halb 10 am Morgen kam dann die Ärztin und prüfte den Muttermund erneut, viel hatte sich seitdem nicht getan. Die Ärztin meinte, dass die Wehen seit nun 12 Stunden am Arbeiten sind, die Fruchtblase vor 13 Stunden geplatzt, der Blutdruck bedenklich hoch war und meiner Freundin die ganzen Strapazen sichtbar zusetzten. Die Empfehlung war die Gabe von Oxytocin oder auch Wehentropf. Eigentlich wollten wir das nicht, da der Wehentropf eine Wassergeburt ausschließt. Die Entscheidung lag nun bei mir, da ich derjenige war, der einen kühlen Kopf bewahren sollte. Ich entschied mich nach Rücksprache mit der Ärztin und Hebamme dem Rat zu folgen. Es war wichtig, dass „ein bisschen Fahrt in die Sache kommt.“. Diesen Satz wollten wir in diesem nicht hören, aber im Nachhinein betrachtet, war es genau die richtige Entscheidung.

Das war der erste Punkt an diesem Tag, wo ich merkte was für eine Verantwortung auch auf mir lastete. Eine halbe Stunde später ging es auf in den Kreißsaal. An der Wand stand ein Spruch in großen Lettern geschrieben: „Wer sagt, es gibt sieben Wunder auf dieser Welt, hat noch nie die Geburt eines Kindes erlebt.“. Nie hätte ich es für möglich gehalten wie viel Wahrheit in diesen Worten steckt. Der Tropf wurde vorbereitet und gab, laut Display, 12 Milliliter Oxytocin pro Stunde in die Vene meiner Freundin ab. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten, die Wehen wurden stärker. Und mit stärker meine ich lauter, schneller und wirkungsvoller. Die Dosis wurde immer weiter erhöht und ich sah in den Augen meiner Freundin, das diese auch so wirkte. Meine Freundin, war in ihrem Körper, jedoch übernimmt ab einem gewissen Punkt die Natur und kümmert sich um das Voranschreiten der Geburt.

Gegen 12 Uhr kam die Nachricht, dass der Muttermund nun komplett geöffnet war. Ich hielt ihre Hand, und redete ihr gut zu – sie machte ihre Sache toll. Der Wehentropf war mittlerweile bei über 72 Milliliter pro Stunde angekommen. Ich konnte auf dem CTG ablesen, wie die Wehen kamen und gingen. Ich sah den Wert steigen, drückte ihre Hand, erinnerte sie an das Atmen, redete ihr gut zu und wenn der Wert fiel konnte ich die Anspannung aus ihr weichen sehen. Dann passierte etwas in mir, das ich mir nicht erklären kann. Ich versuchte ihr weiter zu helfen und es fiel mir schwer. Nicht weil ich nicht helfen wollte, es war viel mehr die Machtlosigkeit, die Gewissheit, dass ich ihr keine einzige Wehe abnehmen kann, ihr kein Leid ersparen kann. So sind wir Männer nicht erzogen, wir müssen stark sein, wir müssen helfen, wir nehmen das Leid entgegen und schützen unsere Frauen. Mir kamen die Tränen, eine innere Wand stand vor mir und ließ mich mental keinen Schritt weiter gehen. Ich wollte nicht das sie leiden muss, ich wollte das es ihr „besser“ geht – jetzt, sofort. Aber die Natur ist hier unerbittlich. Sie weinte, sie schrie, sie wollte nicht mehr. Ich riss mich zusammen, um stark für sie zu sein, um bei ihr zu sein. Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer sein kann für jemanden da zu sein.

13 Uhr konnte ich nicht mehr.Ich muss raus. Ich gehe vor das Krankenhaus und laufe eine Runde, dabei rufe ich unsere Hebamme an um mit jemanden über die letzte Stunde zu sprechen. Ihr Worte helfen mir mich selbst langsam wieder zu finden. Ich gehe wieder Richtung Kreißsaal und setze mich in den Wartebereich, meine Gefühle übermannen mich völlig. Ich höre sie schreien und will bei ihr sein, aber ich kann es nicht. Die Hebamme kommt aus dem Kreißsaal und fragt mich frei heraus, was ich jetzt machen will. Ich muss eine Entscheidung treffen, entweder jetzt mit reingehen und drin bleiben oder bis zum Ende hier draußen warten. Ich höre sie wieder schreien und entscheide mich dafür bei ihr zu sein, nun mit der Gewissheit ihr kein Leid abnehmen zu können aber da zu sein und ihre Hand zu halten. Ich stehe ab Kopfende und langsam wird es hektisch. Mir wird gesagt das die Nabelschnur um den Hals liegt und der Puls unsere Kindes unter jeder Wehe sehr langsam wird. Jetzt muss es schnell gehen und ich muss helfen. Meine Freundin soll nochmal in die Hocke um die Schwerkraft zur Hilfe zu Nehmen. Aber irgendwie klappt auch das nicht. Die Presswehen sind eine unvorstellbare Naturgewalt. Meine Freundin zehrt langsamen an ihren letzte Kräften und die Ärztin entscheidet sich für den Einsatz einer kleinen Saugglocke. Angesetzt und bei der Wehe wir kräftig gezogen und dann passiert das unvorstellbare. (Diese wird angesetzt und bei der Wehe kräftig gezogen, sodass das Unvorstellbare passiert.) Auf einmal ist da ein kleiner Kopf zu Sehen und mir schießen die Tränen durch das Gesicht. Ich werde gefragt, ob ich mit helfen will – na klar! Alles ist weg, die Angst, die Panik, die Verzweiflung. Ich ziehe, sehr zaghaft, mit an dem Kleinen. Er ist da, er ist einfach da und wir legen ihn auf die Brust meiner Freundin. Ganz bläulich und ein bisschen verschmiert. Dann ist da nichts als Ruhe. Die pure Fassungslosigkeit, die Geburt eines Menschen miterlebt zu haben und die Dankbarkeit für die Kraft meiner Freundin. Ich stehe wie auf rohen Eiern und kann mich kaum auf den Beinen halten. Meine Freundin kann nicht hinsehen. Sie kann einfach nicht und ist froh, dass es irgendwie vorbei ist. Sie ist noch nicht wieder im Hier und Jetzt angekommen. Aber sie ist auf dem Weg, das spüre ich in mir – irgendwie. Da liegt nun unser kleiner Sohn seit einer gefühlten Stunde da. In der Realität sind es vielleicht zehn Sekunden.

Danach ein kurzes Husten und dann die ersten unsicheren und langsamen Atemzüge. Kein Weinen, kein Schreien. Es kommt mir so vor als genieße auch er den Moment und die Tatsache, dass es jetzt alles vorbei ist. Aber vielleicht träumt er auch von einer entspannten Schwimmrunde im Fruchtwasser. Und dann gehen die Augen das erste mal auf. Unvorstellbar wie das sein muss. Er blickt sich im Raum um, zwinkert langsam und schaut weiter. Ich darf jetzt die Nabelschnur durchschneiden. Sie ist fest und ich brauche drei Schnitte mit der Schere bis ich diese durch habe. Es ist irgendwie wie einen Gartenschlauch zu kürzen. Und dann blickt meine Freundin nach unten und sieht unseren Sohn zum ersten Mal. Sie blickt mich an und wir beide können unsere Gefühle nicht zurückhalten.

Fazit

Liebe Geschlechtsgenossen, Egal was du ließt, egal was dir die Leute sagen,egal was du übst – du kannst dich auf diesem Moment nicht vorbereiten. Zumindest nicht auf diese Art und Weise wie man sich sonst auf Phasen des Lebens vorbereitet. Rede mit deiner Frau/Freundin und frage was sie möchte, sage ihr was du möchtest und sei für sie da – auf deine Art. Schäme dich nicht wenn du nicht mehr kannst. Leider wird es heute von der Gesellschaft schon fast vorausgesetzt, dass wir bei der Geburt dabei sein müssen. Ich wollte es von vornherein, aber ob es allen so geht ist fraglich. Wir müssen offen darüber sprechen, was für uns okay ist und was nicht. Denn nur so können wir die Frauen während der Geburt wirklich unterstützen. Und natürlich auch danach.